Ein brennendes Hochhaus
Ha, dass ich nicht lache. Nun hat Rena es geschafft, mich erneut zu überlisten und mich in einen Raum einzusperren. Aber nicht, wie beim letzten Mal, in ein gewöhnliches Zimmer. Nein, nein, es musste das oberste Stockwerk eines brennenden Hochhauses sein, bei dem, zu allem Elend, auch noch alle Türen und Fenster fest verriegelt sind!
Ha…ha…, als ob mich dies aufhalten könnte, hier auszubrechen. Eigentlich müsste Rena mich in der Zwischenzeit gut genug kennen, dass sie mich nicht so einfach irgendwo festhalten kann. Schliesslich bin ich eine Fantasy-Autorin, mit der die Fantasie des Öfteren durchbrennt. 😊
Also, wie packe ich es diesmal an? Mich wieder in einen Geist verwandeln und einfach durch die Glasscheiben schweben? Nein, zu langweilig, das hatten wir das letzte Jahr.
Hm…, mal überlegen.
Ich tippe mit dem Zeigefinger grüblerisch an meine Wange und schaue mich im Raum um. Ich befinde ich mich in einem spärlich eingerichteten Wohnzimmer mit einer langen Fensterfront zur linken Längsseite. Eine braune lederne Polstergruppe und ein Salontisch aus dunklem Granit schmücken den vorderen Bereich. Alles zu schwere Möbelstücke, als dass ich sie anheben und damit die Fensterscheiben einschlagen könnte. Mein Blick wandert weiter über die Wohnzimmergarnitur hinweg zum Essbereich und bleibt auf einem der hölzernen Stühle haften.
Hmh…, damit könnte es gehen.
Schnurstracks eile ich zum Esszimmerbereich und blende bewusst die züngelnden Rauchschwaden aus, die sich bereits um meine Füsse wabern. Schnell packe ich einen der Stühle, hebe ihn hoch - verdammt, der ist aber schwerer, als ich gedacht habe – und schleppe ihn zum Fenster. Ein Blick nach draussen sagt mir, dass ich mich… mmh… wo befinde? Keine Ahnung! Wahrscheinlich in irgendeiner Stadt in Deutschland. Ich hoffe es ist Uslar, dann kann ich nachher noch Rena gehörig meine Meinung flüstern. So, jetzt muss ich mich aber sputen, wenn ich nicht als Räucherwurst enden möchte, denn der Qualm bahnt sich schon einen Weg durch meine Atemwege. Hust…, hust...!
Ich hole mit dem Stuhl aus und… die Scheibe gibt nicht nach. Scheisse! Noch ein Versucht und noch einer, doch das Glas will einfach nicht zerspringen. Langsam gerate ich in Panik. Mmh…, was würde McGeyfer jetzt tun. Ein Schweizer Sackmesser zücken und…, nee, habe ich nicht bei mir. Ich betrachte meinen Zeigefinger, mit dem ich mir grüblerisch an die Lippen tippe. Genau, das ist die Lösung! Schliesslich bin ich nicht umsonst Fantasy-Autorin! Hust…, hust! Oh Mann, dieser blöde Rauch! Hust…! Und wie der in den Augen brennt! Wie soll man sich da noch konzentrieren. Trotzdem versuche ich es, schliesse meine Augen und leite all meine magische Energie in meine Hände. Deutlich spüre ich das Kribbeln und Ziehen an meinen Fingerspitzen. Als ich meine Augen wieder öffne, haben sich meine Hände zu langen krallenbestückten Klauen verwandelt. Nicht nur einfache Hornknochenkrallen, nein, wennschon dennschon, diamantene Krallen! Hüstel…!
Grinsend strecke ich meinen Zeigefinger…ähm Zeigeklaue aus und ritze damit über das Glas. Ich beschreibe einen mannsgrossen Kreis und drücke nach getaner Arbeit dagegen. Augenblicklich gibt die Scheibe nach und fällt in die Tiefe. Rauch zieht sofort nach und dringt nach draussen. Hust.. hust!
Ich steige über den Rand der Scheibe hinweg auf das schmale Sims nach draussen, breite meine Arme aus und lasse mich fallen.
Jetzt denkt ihr bestimmt: Aaaah…., die ist doch bekloppt, das überlebt die nie! Aber fehl gedacht. Ich bin jetzt ein Drache mit Flügel. Hihi…, hust…
© 2021 J.H. Bonelli