Der Keller

Das Geräusch kam von unten. Wie Glas, das zu Bruch ging.
Ich hielt den Atem an und lauschte. Da, wieder ein Rumpeln!
Leise öffnete ich die Kellertüre horchte und spähte nach unten ins Dunkle.
„Halloooo!“ rief ich zaghaft. „ist da jemand?“
Keine Antwort und keine weiteren unheimlichen Geräusche.
Ich tastete nach dem Lichtschalter zu meiner Rechten. Doch es ging kein Licht an. Und auf einmal wieder ein Rascheln und Klacken das vom Keller hinauf zu meinen Ohren drang. Erschrocken wich ich zurück und drückte hastig die Türe wieder ins Schloss. Schnell drehte ich noch den Schlüssel um und lehnte mich danach mit dem Rücken zur geschlossenen Türe hin.
Was sollte ich jetzt tun. Mein Mann war auf Geschäftsreise, meine Kinder ausgeflogen und die Nachbarn in den Ferien. Ich war allein im Haus und allein mit etwas oder jemanden der jetzt gerade unten im Keller sein Unwesen treibt.
Sicher wird es nur eine Katze oder ein Waschbär sein. redete ich mir selbst Mut zu. Ich sollte wohl besser erst nachsehen, bevor ich die Polizei rufe.
Und wieder ein Rumsen.
Oder doch nicht! Mit wild pochendem Herzen stiess ich mich mit dem Fuss von der Türe ab, zog mein Handy aus der Hosentasche und tippte mit zittrigen Fingern die Notrufnummer der Polizei ein. Meldete dem Beamten, der gerade abnahm, dass sich ein Einbrechen in meinem Haus befände, nannte ihm schnell Namen und Adresse und legte wieder auf. Dann eilte ich in die Küche. Dort durchwühlte ich Schränke und Schubladen nach einer Taschenlampe und einer geeigneten Waffe, zu meiner Verteidigung. Schliesslich ausgerüstet mit einem langen Fleischmesser und der Lampe meines iPhones öffnete ich erneut die Kellertüre. Lauschte aufmerksam den merkwürdigen Geräuschen, die von unten nach oben drangen und setzte vorsichtig einen Fuss auf die oberste Kellerstufe. Knarrend protestierte die Holzdiele unter meinem Fuss. Ich hielt einen Moment inne, lauschte abermals und zündete mit der Lampe die Stufen hinab. Der Lichtkegel reichte bis zum Ende der Treppe und erhellte die feuchten Mauersteine des Treppenschachts. Mutig wagte ich mich weiter nach unten und umklammerte dabei fest den Griff des Messers mit meiner Faust. Als sich eine weitere Stufe laut quietschend unter meinem Gewicht empörte, wurde es plötzlich eigentümlich still. Ich blieb stehen und wagte kaum noch zu atmen, während mir mein Herz beinahe in die Hosen zu rutschen drohte. Plötzlich folgte ein Laut, das sich anhörte, wie das laute Ein- und Ausatmen durch eine Sauerstoffmaske und danach ein markdurchdringendes Surren. Doch dann nahmen die Geräusche wieder ihren gewohnten Laut von Geraschel und Geklirr an. Ich redete mir selbst Mut zu und stieg schliesslich beherzt die letzten paar Stufen nach unten. Dort angekommen zündete ich mit zittriger Hand in das Kellergewölbe hinein. Matt erleuchtete die iPhone Lampe den düsteren Raum und warf bizarre Schatten an die gegenüberliegende Wand des angrenzenden und durch einen Rundbogen unterteilten Kellers. Überall stapelten sich Schachteln und alte abgestellte Möbelstücke. Regale bis obenhin vollgestellt mit Marmeladengläser, Eingemachtes, Vorratsdosen und bauchigen Flaschen mit Selbstgebranntem. 
Da! Wieder ein Rumsen und Krachen, das nun deutlich vernehmbar aus dem hinteren Teil des angrenzenden Kellergewölbes kam. Vor lauter Schreck fiel mir das iPhone aus den Händen und rutschte klappernd über den harten Steinboden. Augenblicklich wurde es dunkel um mich herum. Nun zitterten mir nicht nur die Hände, sondern ich schlotterte jetzt am ganzen Körper. Hat nicht jemand mal gesagt: Angst lähmt den Körper? Nun, genau das geschah in diesem Moment mit mir. Panik hatte mich völlig ergriffen. Ich konnte mich weder von der Stelle bewegen, noch irgendeinen klaren Gedanken fassen. So stand ich wohl einige Sekunden lang einfach reglos da, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und ich schliesslich glaubte, das schwache Leuchten meines Handy am Boden zu erkennen. Dies brachte meinen Geist und Körper augenblicklich wieder in Gang und ich kauerte mich sofort hin, um nach meinem iPhone zu greifen. Zum Glück funktionierte es noch einwandfrei und ich konnte die Lampe wieder anmachen. Ich hatte mich jedoch noch nicht ganz von meiner Kauerstellung erhoben, als ich deutlich einen kalten Luftzug an meinem Nacken spürte. Und mit dem Luftzug einhergehend, dieses unheimliche durchdringende Surren, das mich nun zusammen mit herumwirbelnden blauen Lichtfunken gänzlich einhüllte.

Später erwachte ich im Zimmer eines Krankenhauses wieder. Man sagte mir, ich sei wohl die Kellertreppe hinuntergestürzt und hätte mir dabei heftig den Kopf gestossen. Zuerst war ich noch ziemlich benommen und glaubte den Ärzten, zumal ich einen dicken Verband um den Kopf hatte und der Schädel mir auch höllisch pochte. Doch umso mehr die Zeit verging, umso klarer konnte ich mich zurückerinnern. So war ich mir ziemlich sicher, dass ich weder gestürzt noch meinen Kopf angeschlagen hatte; und ich dort unten im Keller etwas gesehen hatte, das nach allen Widrigkeiten des menschlichen Glaubens eigentlich nicht hätte existieren dürfen. Etwas, das so furchterregend und doch so wunderschön anzusehen war, dass es sich für immer in meine Netzhaut und meinem Gedächtnis eingebrannt hatte. Natürlich wollte mir niemand Glauben schenken. Selbst die Polizei zweifelte an meinen Aussagen und versicherten mir, dass sie weder Messer noch das iPhone, gemäss meinen eigenen Angaben, im Keller gefunden hätten und es im ganzen Haus keine verdächtigen Spuren eines Einbruches gab. 

Ich weiss nicht, was schlimmer zu ertragen ist: Das Wissen, was dort unten im Keller wirklich vorgefallen war, oder die Tatsache, dass mich jeder für komplett durchgeknallt hält und meine Warnung an das Kommende einfach gänzlich in den Wind schlägt.