Den Anfang schreiben
© 2020 J.H. Bonelli
Eine tollpatschige Maus rettet die Welt
Die winzigen Krallen ihrer Pfötchen kratzten über dem glatten Stein, als sie flink über den rutschigen Boden des Labors huschte. Niemand hatte die kleine Maus bemerkt, die aus ihrer, durch Versehen offengelassener Käfigbox, entwischt war. Jetzt hockte sie zitternd unter einem Medizinschrank und guckte verstohlen darunter hervor. Wachsam beobachtete sie den Mann im weissen Schutzanzug, der sich soeben aus einer Kanne, Kaffee in eine Tasse eingoss. Der Mann wollte an dem Gebräu nippen, merkte aber rasch, dass ihn der Helm daran hinderte. Frustriert stellte er die Tasse wieder neben sich auf das Arbeitspult und widmete sich dann erneut seiner Arbeit am Elektronenmikroskop. Die Maus zuckte mit den Schnurrhaaren, als sie beobachtete, wie er sich auf einmal von seinem Drehstuhl erhob, kurz seine Schultern kreisen liess und dann, durch die Keimschleuse den Raum verliess. Jetzt sah sie ihre Chance gekommen. Schnell flitzte sie quer durch den Raum bis zum Arbeitstisch, kletterte geschickt die gestapelten Kisten hinauf, die unmittelbar daneben lagerten und gelangte so problemlos auf die Tischplatte. Ihr kleines Gehirn arbeitete auf Hochtouren, seit der Mann ihr vor gut einer Stunde, ein Mittel mit genveränderten Eigenschaften injektiert hatte. Sie huschte zu dem Mikroskop und schnüffelte an den kleinen dünnen Glasplatten, die nach wie vor dort lagen, und von dem Licht des sensiblen Instruments angestrahlt wurden. Ihre Nasenspitze zuckte nervös, als ihr feiner Geruchssinn und ihre neu geschalteten Gehirnzellen ihr verrieten, dass es sich hierbei um gefährliche mutierte Viren handelte. Erschrocken wich sie zurück, und stiess dabei, tollpatschig wie sie war, an die Kaffeetasse. Das Gefäss kippte um, verspritzte den ganzen Inhalt über Tisch und Arbeitsgeräte und rollte schliesslich über die Tischkannte Mit einem lauten Knall prallte es auf den Boden und zersprang in tausend Scherben. Vor Schreck, aber auch vor Schmerz mit dem Kontakt der heissen Brühe, sprang die Maus in die Höhe und landete unglücklich auf einem Halter für Reagenzien. Eines der Gläschen, mit unbekanntem grünem Inhalt, löste sich dabei aus der Halterung, plumpste auf die Arbeitsfläche und zerschellte. Die Flüssigkeit vermischte sich sofort mit der Kaffeelache und bildete einen unheimlichen gelben Dampf, der sich rasch im ganzen Raum ausbreitete. Verzweifelt klammerte sich der kleine Nager an dem Gefässhalter fest und versuchte den beissenden Qualm nicht einzuatmen. Doch zu spät! Die giftige Schwele hatte sich bereits einen Weg durch Nase-, Rache- und Lungengänge der kleinen Kreatur gesucht. Die Maus nieste und hustete und ihre Augen tränten. Schon glaubte sie, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen, doch stattdessen fühlte sie sich auf einmal besser und stärker, sogar stärker denn je! Sie wartete, bis der Rauch sich gelegt hatte und sie wieder Sicht auf das Geschehene bekam. Dann kletterte sie vom Gestell runter und studierte den Inhalt der verschiedenen In-Vitro Gläschen und wusste nun, was zu tun war. Kurz sah sie sich auf dem Tisch um, und entdeckte hinter einem der Geräte einen dicken medizinischen Schmöker. Kurzentschlossen schob sie das grosse Buch vor sich her zum metallenen Krug, holte dann eines der Reagenzgläschen, das es zwischen seinen Vorderpfoten klemmte, hopste auf zwei Beinen zum Buch und sprang mit einem Satz darauf., Danach stellte sie sich auf die Hinterbeine und kippte die Flüssigkeit des gläsernen Röhrchens in die Kanne. Und, so stark, wie sie jetzt war, hob sie die Kanne an, stellte sich darunter und trug ihn auf ihrem Rücken zu dem Elektronenmikroskop. Dort angelangt, brachte sie das Gefäss in Position, sodass sich das chemische Gemisch aus dem Ausguss direkt auf die kleinen Glasplatten mit den für die Menschen tödlichen Viren ergoss. Es zischte und blubberte einen Augenblick, dann nickte die Maus zufrieden. Die Gefahr war gebannt!
Auf einmal öffnete sich die Pforte einer anderen Dimension und Rena gefolgt von ihrem Mann stürmten durch dieses Loch ins Labor
«Hab ich’s dir nicht gesagt. Nur eine kleine Maus mit Superkräften ist in der Lage, die Welt zu retten!», frohlockte Renas Mann.
Mit einem breiten Grinsen auf den Stockzähnen, näherte er sich dem kleinen Nager und schaute beinahe liebevoll auf ihn hinab.
«Danke, kleine Maus. Ohne Deine Hilfe wäre es wohl zu einer Zombieapokalypse gekommen. (Anmerkung der Autorin: Soviel zu Renas Interview mit mir, betreffend Zombies, Hihi…)
Der Mann senkte seinen Kopf, rückte die Brille auf seiner Nase zurecht und betrachtete das kleine Tier genauer. «Dafür schenke ich dir die Freiheit.»
Die Maus starrte Renas Mann entgeistert an. Und so stark, wie sie jetzt war, nahm sie den Krug, klatsche ihn dem Mann an den Schädel und fiepte. «Dafür, dass Du Vollpfosten auf die Idee kommst, eine kleine Maus könnte die Welt retten!»